Und so kam der nächste Tag, während der kleine Höllengeier eifrig weiter an seinen Flugmanövern übte. Die anderen begaben sich zu einer Wehrübung in den Behelfshorst über Minas Morgul, und da alle meinten, Junior würde sich dabei ja doch nur wieder verfliegen (was nicht stimmte, denn er war schon zweimal dort gewesen und hatte sich nur einmal dabei verflogen), dufte er nicht mit. Also befasste er sich brav weiter mit den theoretischen Seiten des Fliegens (wo es doch so spannend war, ganz neue Manöver gleichsam von selbst zu lernen, wenn man nicht dort ankam, wo man hin wollte), als er plötzlich ein fürchterliches Gebimmel an der Haustür hörte. Da erinnerte er sich! Schnell lief er zur Tür.

"Ich bin ganz untröstlich, dass ich Euch warten ließ", wollte er sagen, als er sah, dass keineswegs Khamûl vor ihm stand. Es war ein Ork mit einem Bart und einem Goldgürtel, mit leuchtenden Augen unter seiner dunkelgrünen Kapuze. Kaum war die Tür geöffnet, so drängelte er sich auch schon hinein, gerade als ob er erwartet worden wäre. Er hing seinen Kapuzenmantel an den nächsten Haken, nickte knapp und sagte: "Ich bin Gazatshara. Was gibt's zu Essen?"

"Höllengeier Junior, zu Euren Diensten", antwortete der kleine Höllengeier, zu überrascht, um im Augenblick irgendwelche Fragen zu stellen - oder den unverschämten Ork auf seinen Platz zu verweisen, nämlich eher ganz unten in der Nahrungskette der Höllengeier (weil Orks eher scheußlich schmecken, müsst ihr wissen). "Ich wollte gerade meinen Tee nehmen, bitte trinkt eine Tasse mit." Das war vielleicht ein bisschen steif, und eigentlich stimmte es auch nicht, aber was würdet ihr tun, wenn ein uneingeladener Ork plötzlich hereingeschneit käme und seine Sachen an eure Garderobe hinge, ohne ein Wort der Erklärung?

Natürlich hatte Junior gar keinen Tee kochen wollen. Ehrlich gesagt, wusste er noch nicht einmal, was "Tee" eigentlich war. Aber es ist ja so, dass immer wieder allerlei seltsame Leute im Feurigen Berg vorbei kommen (oder vorbeigebracht werden), und die erzählen gar viele sonderbare Sachen, die meist nur den Achivgeier oder höchstens noch den Bibliotheksgeier mit seinen merkwürdigen Vorlieben interessierten. Die meisten, die aus dem Westen kamen, erzählten von "Kaffee" (oder von Hammelfleisch, aber das eine schien mit dem anderen nur wenig zu tun haben, was Junior eher schade fand, denn Hammel mochte er eigentlich ganz gern). Die aus dem Süden hingegen, die Haradrim und wie alle diese komischen neuen Verbündeten hießen, tranken gern "Tee". Und da die Haradrim nun unsere Verbündeten waren, mochten auch Orks bestimmt "Tee" - die taten eh nur, was man ihnen sagte.

"Wie auch immer!", antwortete der Ork, und Junior eilte in die Küche. Er setzte Wasser auf, brachte es zum Kochen, ohne sich die Flügelspitzen zu verbrennen (was in der Eile, in der er war, eine ganz große Leistung war, vor allem, wenn man es mit offenen Flammen zu tun hatte...) und warf ein paar Kräuter und Blüten, die er gerade fand, in den kochenden Sud. Der Ork würde das ohnehin nicht richtig schmecken können. Kurz darauf kam der kleine Höllengeier mit einer Kanne dampfenden "Tees" sowie einem Teller voller Notrationszwiebacke (die er kurzerhand als "Kuchen" ausgab, ein anderes Wort, das ein Gast, diesmal ein nicht ganz freiwillig anwesender Elb aus dem Norden, einmal gebraucht hatte) zurück, und Gazatshara machte sich kommentarlos, grunzend und schmatzend über das Angebotene her.

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