Höllengeier über dem Heldentagebuch

Lange war das sagenumwobene Heldentagebuch angekündigt, und nicht minder lange hat es gedauert, bis die Höllengeier es endlich in die Klauen bekommen konnten. Auf ihrem Englandflug konnte der findige Archivgeier zumindest sch einmal ein Exemplar sehen und es auch Forums-Peregrin zeigen (und Frau Éowyn beim Abendessen beschreiben); beim Gastspiel der Höllengeier in Hannover konnte dann auch Frau Éowyn einen Blick auf das Produkt werfen. Der Herr der Ringe im finsteren Friedberg hielt es danach aber für unnötig, wegen dieses Produktes kostbare Ressourcen zu verschwenden und versprach für den MIDGARD-Con in Bacharach, auf dem die Höllengeier und Frau Éowyn die Produkte des geflügelten Pferdes unter's Volk bringen sollten (wovon, da es eine MIDGARD-Veranstaltung war, ein Bild genügen muss) die Beilage eines Heldentagebuchs, das dann doch fehlte. Also musste der unglückliche Ringdiener Marcus letztlich doch eines verpacken und in den heimeligen Feurigen Berg schicken.

Die Gerüchte waren ja im Laufe der Zeit immer wilder geworden: Erst waren es vier Seiten Charakterblatt mit 28 Leerseiten zum Machen von Spielnotizen, dann kam die Kurzzusammenfassung der Charaktererschaffung hinzu, und schließlich wurde noch mit "weiteren Extras" geworben. Was aber sahen die Äuglein des Archivgeiers nun letztendlich?

Sie sahen, wie angekündigt, ein Heft (DIN-A-5) mit 32 Seiten; sie sind nicht nummeriert (die Seiten, nicht die Augen!), aber der Archivgeier wäre nicht der Archivgeier, wenn er sie nicht sofort gezählt hätte. Das kleine Heft sieht von außen sehr nobel aus (gar mancher im Forum schrieb ihm einen gediegenen Ledereinband zu), mit dunkelbraunem, gemasertem Hintergrund, auf dem der Gondor-Baum im runden Kreis prangt. Die Rückseite sagt uns, dass dieser Band alles enthält, das der Nicht-Höllengeier benötigt, um die Geschichte, die der eigene Held während einer Chronik erlebt, niederzuschreiben und festzuhalten (Höllengeier brauchen so etwas nicht; sie haben sehr gute und lange Gedächtnisse, und überhaupt kann nicht jeder von ihnen schreiben).

Also blättern wir ein wenig durch das Heft, sozusagen von vorne nach hinten.

Die erste Seite hat ein Bild einer Hand (der geübte Archivgeier sieht sofort, dass es die von Bilbo ist), die mit einer großen Feder etwas auf ein Blatt Pergament schreibt. Darunter stehen die Worte "Character Name", "Player Name" und "Chronicle" (und ein Copyrightvermerk). Sehr stimmungsvoll, aber ein klein bisschen wenig Fleisch auf den Knochen.

Die nächsten beiden Seiten enthalten die Zusammenfassung der Charaktererschaffung. Diese steht schon so lange auf der Decipher-Homepage (und in der deutschen Fassung auf der Pegasus-Seite), dass der Archivgeier sie gar nicht erst gelesen hat.

Das "erweiterte Charakterblatt" schließt sich an. Auf seinen ersten beiden Seiten tut es wenig mehr als das Charakteblatt aus dem Regelwerk auf der oberen Hälfte seiner ersten Seite: Es führt (in sehr großer Schrift, die auch unser Jüngster gut lesen konnte) alle notwendigen Spieldaten auf. Hinzu kommen Zeichnungen von Klein-Frodo (lecker Halbling) und Aragorn (blöder Möchtegern-Höllengeiertöter). Hier findet sich dann auch schon ein Fehler (der einzige, der dem Archivgeier bislang aufgefallen ist, wie wir als faire Höllengeier gern zugeben), dass nämlich kein Feld vorhanden ist, in dem man Attribute und Reaktionen als "bevorzugt" kennzeichnen kann; bei einem Produkt dieser wirklich sehr hohen Detaildichte ist dies schon ein wenig ärgerlich. Decipher hat dies dann doch schon recht schnell nach dem Druck bemerkt und in seine Errataliste aufgenommen.

Nun kommt eine Seite, auf der man Volks- und Berufungsfähigkeiten eintragen kann (und nur Volks- und Berufungsfähigkeiten). Das ist sehr hübsch, aber doch ein wenig... zu großzügig. Die nächsten drei Seiten befassen sich mit Vor- und Nachteilen. Zwei Seiten entfallen auf Vorteile (pro Seite zehn Kästen, in die man den Namen, die Möglichkeit der Verbesserung sowie die Beschreibung eintragen kann), und dann folgt eine Seite, die das gleiche für die Nachteile tut. Sage und schreibe sechs Seiten listen alle Fertigkeiten auf, die das Spiel so hat. Dabei werden zwar einige der Kritikpunkte, die es zum alten Charakterblatt zu hören gab (zu wenig Platz für Wissensfertigkeiten, keine Möglichkeit des Eintragens von Spezialisierungen), behoben, aber sechs Seiten ist dann doch ein klein wenig übertrieben.

Durchaus hübsch ist auch die sich anschließende Doppelseite mit den verfügbaren Zaubern (inklusive der Möglichkeit des Abstreichens gelernter Zauber) - ja, wenn wir dieses gleiche Blatt nicht schon (und das in Farbe!) vor zwei Monaten als Einlageblatt im Sichtschirm für die Erzählerin hätten haben sollen (gut, wir hatten es nicht, da der Drucker vergessen hatte, es beizulegen, aber darum geht es jetzt nicht). Es passt hier zwar durchaus, aber da mittlerweile jeder, der des Bedienens eines Computers mächtig ist (also alle außer unserem Jüngsten und dem Feier für's Grobe) die Zauberbuchblätter kostenlos von der Decipher-Homepage laden konnte, ist diese Wiederholung ein klein wenig ärgerlich (zumal die beiden - nicht vorhandenen - Zauberbuchblätter sowie die sechs - nun überholten - Charakterblätter nicht wenig zum hohen Preis des Sichtschirms für die Erzählerin beigetragen hatten).

Weiter geht es mit je einer vollen Seite für die Spieldaten von Waffen (welcher Charakter wohl über 21 verschiedene Waffen verfügen mag, insbesondere wenn es im gesamten Regelwerk nur 26 verschiedene Arten gibt, die verschiedenen Dolche, Schwerter und Pfeile bereits mitgezählt?) sowie Ausrüstung (dreispaltig, mit einem Kasten für die Geldbörse). Eine Doppelseite (mit je 20 vorgegebenen Zeilen) trägt die Überschrift "Notes" (und ist ansonsten wirklich völlig leer), dann kommt eine Seite "Character Illustration and Symbol" (auch wieder leer, mit Ausnahme eines kleinen Rechtecks für das Symbol). Nun folgt die Überschrift "Character Journal", der sich, man mag es kaum glauben, insgesamt neun leere Seiten á 20 leeren Zeilen anschließen (immerhin doch noch ein Drittel des Hefts). Unser Forums-Peregrin meinte dazu zum Alpha: "Bei deiner Art der Spielleitung langt das für genau eine Sitzung." Tja...

Und das war's dann auch schon; die 32 Seiten sind zu Ende.

Fazit: Dieses Produkt ist für den Rollenspieler, der wirklich schon alles hat und mit einem kleinen Heft statt mit einem Charakterblatt wedeln möchte. Es ist zwar durchaus nützlich (und sehr, wie man auch neudeutsch sagt, "stylish"), aber auch unangemessen teuer. Deshalb würden auch nur zwei von neuen Höllengeiern es kaufen (der Alpha, da er protzen möchte, und der Archivgeier, der ohnehin alles kauft).

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