Höllengeier über London

Es war gerade wieder Ruhe im Höllengeierheim eingekehrt, da klingelte das Telephon beim Alpha. Es war, wer hätt's gedacht, Lady Éowyn, abenteuerlustig wie immer. "Du, Höllengeier, hör' 'mal", sagte Frau Èowyn, "ich habe ganz plötzlich Lust, kurz nach London zu fliegen und mir einige der Orte anzusehen, an denen ich mich vor 15 Jahren herumgetrieben habe. Was hältst du davon, wenn du mitkommst (Flug am Sonntag), ich dich am Montag irgendwo hin schicke, wir dann am Dienstag Einkaufen gehen und am Mittwoch wieder fliegen?"

Ein wenig überrascht war der Alpha da schon, und irgendwie wollte er zuerst nicht so richtig. Da hatte er aber nicht mit Éowyn gerechnet! "Was soll das heißen", fragte sie, "du willst nicht mit mir nach London, nur weil ich dich einen Tag lang wegschicke???" Tja, so gesehen war da natürlich nichts zu machen (ich hätte dir letztes Jahr in Essen dieses Schwert nicht schenken wollen...), zumal von hinten schon gleich wieder der infernalische Archivgeier mit seiner noch weitaus infernalischeren Fehlliste ankam und etwas vom "Lücken schließen..." murmelte. Und dann setzte Éowyn noch nach: "Ich kann dich ja am Montag beim GenCon UK abliefern, und dann gehen wir abends essen!" Tja, dann... Das mit dem GenCon hatte den Alpha ohnehin ein wenig gewurmt, und so...

...saßen wir bald darauf in einem anderen, weitaus größeren Geier (einem sogenannten BA-Geier; die haben das beste Essen) und ließen uns an einen Ort namens Heathrow fliegen. Der Pilot war gar nicht schlecht, wenn auch kein Höllengeier, und wenn das Fleisch auf dem Sandwich etwas roher gewesen wäre und Junior nicht dauernd etwas von "Du, Alpha, warum fliegst du denn nicht so ruhig?" geschwätzt hätte, wäre es richtig angenehm gewesen, sich zur Abwechslung einmal fliegen zu lassen. Kurz nach der Ankunft ging es durch ganz schön lange Tunnel (aber ohne große Spinne) Richtung Stadt und von dort zur Unterkunft, einem recht... interessanten Menschenstall namens "Generator", der am ersten Abend durch viele kleine, laute, eklige deutsche Kinder einer Schulklasse auffiel, die allesamt der Landessprache nicht gut genug mächtig waren, um die Hinweisschilder bezüglich Nachtruhe zu lesen (gut, auch unser Jüngster spricht diese Sprache nicht, aber die Zahl der Menschen, die sich wagen, einen Höllengeier zur Ruhe aufzufordern, ist dann doch eher gering). Ein kurzer Abstecher des Höllengeiers für's Grobe bei der Rezeption sorgte dann umgehend für Ruhe, insbesondere aufgrund des Angebots, er könne sich gern selbst um die kleinen Ruhestörer kümmern, hehe... zumal er nur rohen Fisch zum Abendessen gehabt hatte, weil der Alpha entscheiden hatte, dass das gut schmecke.

Am nächsten Morgen sah man ausgesprochen wache Höllengeier und eine ausgesprochen wache Éowyn beim Frühstück, bevor sich ihre Wege trennten. Die Geier fanden den Weg zum Con, vergnügten sich ganz gut, führten eine Reihe von spannenden Gesprächen - und dann gelang es dem Archivgeier, sich während einer kurzen Führung durch die Verkaufshallen loszureißen. Es war ein schreckliches Ereignis, gleichwohl einige der Händler (insbesondere der, bei dem er innerhalb von zehn Minuten gleich zweimal einkaufte - "Oh, der hat ja auch noch...") wohl sehr zufrieden waren. Und während sich Éowyn noch südlich der Themse vergnügte, zogen nach Ende des Contags die Geier mit Bekannten (insbesondere Frau Forums-Peregrin und ihrem Verlobten; die brauchen wir noch für später) noch ein wenig durch London, wurden zu vegetarischem Essen gezwungen und kauften eine Teetasse mit einer süßen kleinen Spinne drauf.

Das Abendessen wurde dann ebenfalls südlich der Themse in ein Nobelrestaurant verlegt. Der Orientierungssinn der Höllengeier ist ja mittlerweile allgemein bekannt, und so erfolgte die Navigation über einen eifrigen Austausch kurzer Botschaften über die kleinen tragbaren Handpalantirí, die man halt so dabei hat im Flugeinsatz (am Ende sogar mit Bestätigung erfolgreich zurückgelegter Teilstrecken). Die Höllengeier waren sogar pünktlich, und geschmeckt hat es auch. Kurz vor Mitternacht war es dann ziemlich egal, ob es im "Generator" noch laut gewesen wäre oder nicht (es war wohl nicht, aber so genau wissen wir das nicht mehr). Der Archivgeier faselte den ganzen Abend von "... und dann fand ich auch noch...", wurde aber weitgehend ignoriert.

Der nächste Morgen sah neun friedlich bis spät in den Morgen schlummernde Höllengeier (war ja auch ein anstrengender Tag gewesen, mit dem ganzen Zielfliegen durch völlig unbekannte Teile von London). Wir hatten uns lose mit Frau Peregrin nebst Verlobtem verabredet, und bis gegen 11 hatten wir auch so halbwegs geklärt, dass wir getrennt einkaufen gehen und uns dann abends im East End beim Inder treffen wollten. Dann flogen Höllengeier und Éowyn gegen 11.30 Uhr im "Forbidden Planet" ein und trafen natürlich prompt auf die anderen beiden. Eine Stunde später (das ist ein großer Laden, und gerade die Ecke mit den HdR-Devotionalien ist eher umfangreich - aber völlig ohne jeden Höllengeier! Den blöden Höhlentroll kann man für 335 Pfund kaufen, aber einen der wunderschönen Höllengeier? Fehlanzeige!) schafften wir es dann mit Mühe zum nächsten "Starbucks" (Ratschlag des Archivgeiers zum Finden eines Starbucks in London: "Einfach geradeaus gehen; ist nach drei Minuten keiner aufgetaucht, liegt er in der anderen Richtung.") und von dort aus in die Buchläden. Irgendwann trennten wir uns dann doch, und einige Buchläden und Starbucks später trafen wir uns dann beim ausgezeichneten Inder wieder (na gut, an der U-Bahn-Station Aldgate East, und Éowyn lotste uns zum Inder).

Éowyns erste Worte am nächsten Morgen waren: "Ich habe dir gleich gesagt, das dritte Bier war zu viel" (leckeres indisches Bangla). Es ging dabei weniger darum, dass die Höllengeier außer Form gewesen wären, sondern zu stark geschnarcht hatten, was wiederum Frau Éowyn nicht richtig zum Schlafen kommen gelassen hatte (ist ja auch eine schreckliche Vorstellung: einsame Schildmaid mit neun laut schnarchenden Höllengeiern im kleinen Zimmer...).

Der Mittwoch sah uns dann noch ein wenig durch London fahren, Dinge einkaufen, nach geschlossenen U-Bahn-Stationen Ausschau halten und Kaffee trinken. Archiv- und Geschichtengeier hatten sich plötzlich in eine X-Men-Manie gesteigert (der drohende zweite Film hatte sowohl den Sammlersinn als auch die Erzählwut geweckt), und so musste Frau Éowyn sich dann an grässlich bunten Comics aus den frühen Achtzigern erfreuen. Nachdem sich der Rückflug letztlich noch ein wenig verzögert hatte (beim Betreten des BA-Geiers hatte sich ein Passagier übergeben müssen, und die nötigen Reinigungsarbeiten hielten uns dann eine halbe Stunde auf - das wäre in Mordor aber nicht passiert!), kamen wir schließlich kurz nach Mitternacht wieder in der Heimat an - wurde auch Zeit, denn schon am Freitag ging es ja nach Hannover.

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