Höllengeier über dem Spielleiterschirm

Die erste Produktbesprechung in der neuen Heimat!

Der Spielleiterschirm (bzw. Narrator's Screen, wie er ja im Original heißt), kommt eingeschweißt mit einem (etwas verschwommenen) Bild von Minas Tirith auf der Vorderseite. Die Rückseite informiert uns nicht nur darüber, dass dieser Schirm das Höllengeierleben nun viel einfacher macht, sondern zudem eine Menge spannender Dinge enthält:

Nachdem die sehr präzisen Höllengeierkrallen in kürzester Zeit die Plastikverpackt sachgerecht zerrissen haben, fallen uns (teilweise im Sinne des Wortes) ein vierteiliger Schirm, ein dünner und gar nicht höllengeiergerechter Papierumschlag, ein 16-seitiges Heft in s/w-Druck (und nochmal Minas Tirith 'drauf) sowie sechs beidseitig bedruckte Farbblätter in die Hände. Wie schön, alles wie versprochen.

Das heißt... sechs? Sechs? Fehlt da etwas etwas? Oh ja... Es sind zwar die versprochenen sechs Charakterblätter da (genau die gleichen wie im Regelwerk, nur halt separat beigelegt) - aber die beiden Grimoire sheets fehlen! Oh weh, oh wei, da hat Decipher 'mal wieder geschlafen. Bei Papa Sauron würden da jetzt Köpfe rollen... Angeblich war's dann ein Sortierfehler der Druckerei, wie mittlerweile von Decipher zu erfahren war; die fehlenden Blätter gibt es hier (und in der deutschen Übersetzung werden sie natürlich beiliegen).

Aber weiter. Der Schirm selbst zeigt von "außen" (also auf der den Spielern zugewandten Seite) - wer hätt's gedacht - Minas Tirith aus der Ferne sowie die nähere und weitere Umgebung. Links sieht man den flammenden Schicksalsberg, und von rechts kommt gleich Gandalf ins Bild geritten. Auf der Schirminnenseite gibt es die erwarteten Tabellen, zwar ohne die Tabellennummer aus dem Regelwerk, dafür aber mit einem Seitenverweis, was dann doch ziemlich praktisch ist.

Schaut man sich die Tabellen näher an, kommt dem leidgeprüften Höllengeier allerdings sofort das kalte Grausen. Natürlich darf man sich darauf verlassen, dass Decipher seine jüngsten Errata nicht auch gleich in seine jüngsten Produkte einbaut, und so darf man den armen, unschuldigen Höllengeier auch noch nach den Tabellen des Spielleiterschirms mit Dolchen ans (nicht vorhandene) Gefieder gehen, die einen Schaden von 2W6+2 machen - will meinen, die diesbezüglichen Errata sind noch nicht eingearbeitet. Gr. Grrrr. Da freut sich der Grummelgeier.

Bleibt zum Schluss das Abenteuerheft The House of Margil. Seine 16 Seiten Text reduzieren sich ganz schnell zu 12, wenn man das Titelbild, das (wie gehabt) unnötig-einseitige Impressum, das Inhaltsverzeichnis und die Schmuckseite 5 (ein s/w-Bild von Frodo von hinten auf der Treppe zu Amon Hen, was zum einen mit dem Abenteuer eher gar nichts zu tun hat und zum anderen in der s/w-Version gar nicht einmal so gut zu erkennen ist) abzieht. Ein genauer Blick auf das Inhaltsverzeichnis indes versetzt den ungläubigen Höllengeier erst in grenzenlosen Jubel (Decipher hat es geschafft, durch mächtige Magie mehr Seiten in das Produkt zu packen, als drin sind) und dann in stummes Grauen:

Introduction 4
Chapter One: There and Back Again: The Realms of Middle-earth 10
Chapter Two: Might and Majesty: Attributes 44
Chapter Three: The Free Peoples: Races of Middle-earth 58

So ein ganz klein wenig peinlich ist das ja schon... das wäre ja selbst unserem Jüngsten nicht passiert!

Bleiben also letztlich doch zwölf Seiten Abenteuer, über die wir hier nicht allzuviel verraten möchten, da es ja Leute geben soll, die solche Abenteuer tatsächlich spielen wollen... Begnügen wir uns also damit, dass es das Auftaktabenteuer der Chronik The Shadow of the North ist, die im Grundregelwerk auf Seite 263 ja in ihren Grundzügen umrissen wird (ihr habt nicht wirklich gedacht, Decipher hätte dies ohne Grund getan oder würde jetzt wirklich etwas völlig Neues entwerfen). Kurioserweise wird weder dort noch im vorliegenden Abenteuer eine genaue zeitliche Einstufung getroffen (spielt halt so gegen Ende des Dritten Zeitalters), so dass man noch nicht einmal feststellen kann, ob Spielleiter, die ein wenig über die Vorgaben der Handlung hinaus gehen möchten, schon den einen oder anderen Höllengeier einbauen dürfen, ohne von den Puristen zerfleischt zu werden (dann wiederum: bei den 2W6+2-Monsterdolchen vielleicht lieber doch nicht...)

Davon abgesehen, ist das Abenteuer tatsächlich eher kurz und knapp und steht voll und ganz in der Atmosphäre, die das Grundregelwerk vermitteln möchte, d.h. die Tolkien-typischen Ideen und gewünschten Verhaltensweisen werden sehr schön herausgearbeitet; gerade Neulinge können hier viel lernen. Und tragisch ist es auch, jawohl.

Fazit: Sechs von neun Höllengeiern würden dieses Produkt kaufen, da das Spiel dringend einen Tabellenschirm benötigt und das Abenteuer sehr hübsch ist. Einer der drei Verweigerer (der Geier für's Grobe) beklagt sich darüber, dass er gezwungen wird, einen unnötig hohen Preis wegen der sechs nicht wirklich nötigen Charakterblätter (von den beiden fehlenden Zauberbuch-Blättern, die wirklich nötig gewesen wären, ganz zu schweigen), und dem zweiten (dem Archivgeier, wen wundert's) mindern die überhöhten Dolchschäden den Spielspaß (oder meinte er die erschreckende Fehlerhaftigkeit des Produkts insgesamt?.) Der Dritte schließlich (der arme Geschichtengeier) sah den Preis (25,60 Euro) und entschied sich, dass das Spiel den Tabellenschirm so dringend dann doch nicht bräuchte.

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